Die kleine Insel der Liebe
Es war einmal eine
junge Prinzessin, die sich in den Kopf
gesetzt hatte, ihr Wunschbild zu verwirklichen. Sie wollte raus aus der
Begrenzung ihres Schlosses und mit einem Schiff fliehen.
Aber ganz so einfach war es nicht, zu fliehen. Überall
waren Wächter, die sie sicher nicht rauslassen würden und wenn sie ehrlich war,
etwas Angst vor dem Unbekannten hatte sie auch. Aber die Sehnsucht nach
Freiheit, Liebe und Entspannung blieb in ihrem Herzen. Und je länger sie diese
Gefühle unterdrückte, desto mehr drängten diese nach Verwirklichung.
Sie träumte von einer
einsamen Insel irgendwo tief drinnen im Meer, von Wärme, Liebe und
Geborgenheit. Sie träumte von Lachen und verstehen und von Sorglosigkeit. Aber
all das sollte ein Traum bleiben, solange sie auf diesem Schloss gefangen war.
Wie schön wäre es, dachte die Prinzessin, wenn mir jemand helfen würde, hier
herauszukommen!
Eines Tages saß sie unten am
Fluss und sah trübsinnig auf das Wasser. Sollte der Sinn des Lebens sein, so
langweilig vor sich hin zu leben? Wie lange war man denn auf dieser Welt? Doch
eigentlich viel zu kurz. Jedenfalls zu kurz, um mit einem Menschenleben alles
das entdecken zu können, was die Natur ihr zur Entdeckung anbot. Aber wie komme
ich raus aus meiner Haut? Wie kann ich meine Angst überwinden und meine
Begrenzungen aufheben? sinnierte die Prinzessin.
So saß sie schon eine ganze
Weile dort, als ein kleines Schiff auf dem Fluss daherkam. Es war blau
angestrichen und erhobenen Hauptes stand ein junger Mann auf dem Boot, der eine
weiße Mütze auf dem Kopf hatte.
Er hatte die Prinzessin
schon lange entdeckt und sein Ruder in Richtung des Ufers gerichtet. Als er
näher gekommen war, sprang er behände an
Land und machte sein Schiff mit einem Tau an einem Baum fest.
„Guten Tag, mein schönes
Fräulein. Ich bin Aribus, der Rumtreiber und seit langem auf der Suche, meinen
Traum von Freiheit zu verwirklichen. Und wer seid ihr?“
„Ich bin die Prinzessin
Lydia. Aber: Erzählt mir mehr von eurer Suche,“ bat die Prinzessin, denn sie
war hellhörig geworden und fand diesen jungen Mann recht sympathisch.
„Nun, es ist so,“ fing der
junge Mann zu sprechen an, „ich lebte immer in der Begrenzung von 'muss' und
'soll' und 'kann'. Aber nach meinen innersten Wünschen wurde ich nie gefragt.
Und so habe ich eines Tages dieses Schiff gekauft und treibe mich seitdem in
der Weltgeschichte herum.“
„Ja, habt ihr euren Traum
denn damit noch nicht erfüllt?“ fragte die Prinzessin neugierig.
„Nein, ich bin noch immer
auf der Suche, denn bis jetzt habe ich niemanden gefunden, der diesen Wunsch
mit mir teilen möchte. Bis jetzt bin ich nur auf Ablehnung gestoßen und man hat
mich sogar für verrückt erklärt! Und das alles nur, weil ich froh, glücklich
und zufrieden leben will. So sind eben die Menschen. Aber sagen Sie, mein
Fräulein: Was machen Sie so allein hier am Fluss?“
„Ach, mein Herr, mir geht es
ähnlich wie Ihnen. Ich werde von meinen Leuten ausgelacht, weil ich den Traum
habe, aus der Begrenzung zu entfliehen. Ich träume von einer Insel, auf der
Liebe und Geborgenheit die Regenten sind - und nicht, wie hier, Neid, Hass und
Missgunst. Aber keiner glaubt mir. Alle verachten mich und alleine bin ich zu
schwach, sie zu überzeugen und habe andererseits Angst, es alleine zu
probieren. Aber es will mir niemand helfen. Deshalb sitze ich hier allein und
bin nicht mit den anderen zum Ball.“
Wehmütig hatte die
Prinzessin dieses gesagt. Ein trauriger Schimmer lag in ihren Augen und nervös
betrachtete sie ein kleines Gänseblümchen, dass sie aus dem Gras gezupft hatte.
„Ja, aber mein Fräulein, das
ist ja ganz phantastisch! Seht ihr denn nicht, wie sich unsere Träume gleichen?
Kommt mit auf mein Boot. Gemeinsam werden wir diese Insel finden. Und alleine
sind wir dann auch nicht mehr. Vielleicht gehen dann unsere Träume in Erfüllung!“
Das ließ sich die Prinzessin
nicht zweimal sagen. Das könnte die Erfüllung ihres Traumes sein! Schnell stand
sie auf, nahm dankend die Hilfe des jungen Mannes in Anspruch und sprang auf
das Schiff. Langsam ließen sich die Beiden dann flussabwärts treiben. Bei
Bedarf holten Sie die Segel heraus und manchmal benutzten sie nur das Ruder.
Bereits nach einigen Tagen
stellten die Prinzessin und der junge Mann fest, dass sie ohne den anderen
nicht mehr leben wollten, denn gemeinsam ging so vieles leichter.
Eines Tages kamen sie
tatsächlich an eine Insel, die sehr einladend aussah. Der Strand glänzte golden
in der Sonne, Sträucher mit Beeren gab es auch genug und die Tiere waren noch
friedlich. So tauften sie ihre neu entdeckte Insel „Die Insel der Liebe“, bauten
sich ein schönes Heim und fühlten sich wohl, glücklich und zufrieden.
Sie gaben sich Wärme und
Geborgenheit und es herrschte gegenseitiges Verstehen. Das, was beide für sich
so lange allein gesucht hatten - hier hatten sie es jetzt endlich gefunden.
copyrights: Gudrun Anders
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